Dienstag, 21. August 2012

The Amazing Spider-Man **kindergarten adventures**


Der Kleine stopft seine Disney-Pixar Woody-Puppe zu der Brotdose in die Kindergartentasche und sagt gut gelaunt: „Los Mama, gehen wir in den Kindergarten“.

Nach einem Blick in die Checkliste – alte Berufskrankheit - bin auch ich so weit. Natürlich nicht, ohne noch schnell die ersten Erinnerungsfotos zu schießen. Da steht er nun, mein Dreijähriger, der gestern noch mein kleines Baby war. Cool sieht er aus mit seinem Käppi, und heute heißt er sowieso „Spiderman“, wie er mir mit ernstem Gesicht erklärt. Das Kind ist heute also ein Superheld und somit bestens gewappnet.

Gemeinsam hieven wir die große Tasche mit Kindergartenzubehör ins Auto. So eine Tasche wiegt gefühlte neunzillionen Kilo, denn man muss den halben Kleiderschrank des Kleinen in Zweitausführung mitschleppen: Regenhose, Regenjacke, Gummistiefel, Hausschuhe, Ersatzschuhe, Turnschuhe, Turnkleidung, Ersatzkleidung für jedes Wetter und Fotos in verschiedenen Größen, aber die haben wir erstmal vergessen. Und weil Mama vor Lampenfieber schon ganz früh wach war, sind wir schon kurz nach 8 Uhr im Kindergarten.

Dem Kleinen gefällts, denn jetzt kann er ganz in Ruhe das Barbie Traumhaus untersuchen und kleine pinke Ponys in noch kleinere Eisenbahnwaggons quetschen. Friedlich spielt er mit zwei weiteren Kindern. Ein pinkes, niedliches Mädchen möchte wissen: „Wie heißt du denn?“. Der Kleine ruft mit heroischer Begeisterung: „Ich heiße Spiderman!“. „Nein, ich will wissen wie du als Kind heißt“ nörgelt das pinke Mädchen. „Ich bin kein Kind, ich bin Spiderman!“ tönt es im Brustton der Überzeugung zurück, und aus seinem Handballen schießen imaginäre Spinnweben auf das pinke Kind.

Ich sitze derweil an einem winzigen Kindertisch auf einem winzigen Kinderstuhl und fülle etliche Einverständniserklärungen aus, die uns für 3 Jahre zu zahlenden Mitgliedern diverser Fördervereine machen – „der Beitrag kann uns in einem geschlossenen Umschlag überreicht werden“. Ich blicke mich verstohlen um - es würde mich nicht wundern, wenn mir gleich jemand im Trenchcoat nach alter Sesamstraßenmanier zu wispert: „Pssst, hey, komm her! Ja, du! Willst du ein „E“ kaufen?“.  

Derweil sind alle neuen und die alten Kindergartenkinder eingetroffen und laufen giggelnd mit ihren Brotdosen in die Küche zum Frühstück. Der Kleine will auch mit. Brav sitzt er vor Kopf des langen Tisches und isst gesittet sein Butterbrot. Und er bleibt sogar sitzen! Erstaunlich, wie sich das Verhalten in der Gruppe ändert. Als die Kindergärtnerinnen nach dem Frühstück alle zum Aufräumen zusammenrufen, macht meiner mit Feuereifer mit und kommandiert fachmännisch die anderen Neulinge: „He, du sollst aufräumen! Mach mal mit“ und „ihr sollt euch hinsetzen hat die Kindergartenfrau gesagt!“. Ich sitze sprachlos und vom Kleinen weitestgehend unbeachtet auf meinem Ministuhl und lerne ganz neue Seiten an ihm kennen.

Inzwischen steigen die Innenraumtemperaturen auf Transpirierstärke an, und die Kinder dürfen rausgehen zum Spielen. Der Kleine buddelt mit zwei anderen Kindern ein weiteres pinkes Mädchen bis zum Bauch in den Sand ein. Die Sandoberfläche glättet er hingebungsvoll mit einer Maurerkelle. Ansonsten sausen diverse Dreiräder, Roller und Kinderbetonmischer an mir vorbei und die Eltern müssen auf Anweisung der Erzieherinnen wieder ins Haus gehen. Mal sehen, wann das erste Kind heulend nach Mama ruft. Immerhin ist es nicht meiner! Der hält es ganze 45 Minuten aus, bevor ihm auffällt, dass Mama nicht in Sichtweite ist. Aber auch dann genügt ein kurzer Blick, um sich zu vergewissern, dass ich noch da bin. Ich bin zufrieden. Das hatte ich mir komplizierter vorgestellt.

So vergehen blitzschnell drei Stunden und als die ersten Neulinge quengeln und hundemüde zu stolpern beginnen, schicken die netten Erzieherinnen uns für diesen Tag nach Hause. Ich packe Tasche und Kind zusammen und verfrachte beides ins Auto, das sich in der Mittagshitze ziemlich aufgeheizt hat. Schnell noch den Gurt des Kindersitzes festzurren, Beifahrertür zuschlagen, einsteigen und los geht’s… erstmal nicht.
Denn durch die verschlossene Fahrertür sehe ich im Zündschloss den Autoschlüssel stecken. Er baumelt noch ganz leicht hin und her. Mein Blick schnellt zur Beifahrertür – verschlossen. (Hier muss ich für jüngere Leser erklären, dass mein Auto keine Zentralverriegelung besitzt. Ja liebe Kinder, sowas gibt es!). Die Tasche mit meinem Handy ist natürlich auch im verschlossenen Auto, genau wie mein kleiner Spiderman, dem vor lauter Hitze schon kleine Schweißperlen die Wange runter kullern.

Mein Kind ist bei über 30 Grad im Auto eingesperrt und mich erfasst leichte Panik. Ich rufe dem Kleinen durch das geschlossene Fenster zu, dass ich zurück in den Kindergarten muss, um die Oma anzurufen. Die hat nämlich den Ersatzschlüssel fürs Auto. Ich renne los, greife mir eine Erzieherin, befehlige sie zum Telefon und bestelle Oma samt Ersatzschlüssel zum Kindergarten. Und zwar SCHNELL bitteschön! Ich hetze zurück zum Auto.

Dort heult mein kleiner Spiderman dicke Tränen und der Schweiß läuft in kleinen Bächlein an seinem Gesicht herunter, und ich schiele mit einem Auge nach einem großen Stein, mit dem ich eines der Autofenster einschlagen könnte. Und der Kleine weint immer noch herzzerreißend und ich rufe ihm mit wenig Hoffnung zu: „Drück den roten Knopf an deinem Gurt runter. Feste! Mit beiden Daumen gleichzeitig drücken! Los, du schaffst das!“ Und der kleine Spiderman drückt so fest, dass seine Daumen weiß werden und sein Gesicht noch roter anläuft, und dann springt die Gurtschnalle auf und er reißt den Gurt los und springt aus dem Kindersitz und klettert auf die Vordersitze und greift den Türgriff und draußen ist mein kleiner Superheld. Er hat sich selbst befreit und springt in meine Arme, und meine Bluse wird ganz feucht vor lauter Tränen und Rotz und Sabber. Aber es könnten auch Spinnweben gewesen sein, wie er mir nachher erklärt. 

Wer weiß das schon so genau bei einem Superhelden wie SPIDERMAN.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen